Tinnitus-Entstehung
Tinnitus
ist ein Symptom
für dessen Entstehung vielfältige Ursachen innerhalb des Hörsystems beschrieben sind (siehe Tabelle). Wichtig vor jeder Behandlung, ist daher die eingehende Untersuchung in Regie des Hals-Nasen-Ohren-Arztes.
Rein formal gibt es auslösende Ursachen für das Tinnitus-Signal, die meist im Innenohr, im Hörnerven im Hörgehirn oder außerhalb des Hörsinnessystems gelegen sind (z.B. Halswirbelsäulen- und Kiefergelenkserkrankungen). Einige dieser Ursachen lassen sich in konventioneller Weise medizinisch erfolgreich behandeln (z.B. akute Hörminderung, Otosklerose).
Oft lässt sich eine auslösende Ursache für den Tinnitus nicht finden. In diesen Fällen zielt die Therapie auf die gut beeinflussbaren, aufrechterhaltenden Ursachen ab, die in der komplexen Funktionsweise unseres Hörsystems und seiner Verschaltungen im Gehirn begründet sind.
Auslösende Ursachen
für subjektiven Tinnitus
- akute Hörminderung (sog. Hörsturz)
- akuter oder chronischr Lärmschaden
- Menièrsche Krankheit
- Kopfunfall mit / ohne Schädelbruch
- Halswirbelsäulen-Erkrankungen (Blockierungen, Schleudertrauma)
- Otosklerose
- Innenohr-schädigende Medikamente
- sonstige Innenohrschäden
- Tumore des Hörnerven (Akustikusneurinome)
- Kiefergelenkserkrankungen
- Erkrankungen des Zentralnervensystems
- unbekannte Ursachen
Was geschieht bei anhaltend störendem Tinnitus im Gehirn?
Wie wir heute wissen, spielen sich wesentliche Vorgänge, die die Wahrnehmung des Tinnitus aufrechterhalten in denjenigen Regionen unseres Gehirns ab, die für das Denken und Fühlen verantwortlich sind.
Anhaltend störender Tinntus ist im Wesentlichen ein „Problem der Bioinformatik“, wie es ein Betroffener einmal treffend formulierte. Entscheidend für die störende, zumeist unwillkürliche Hinwendung auf den Tinnitus ist seine gedanklich-emotionale „Färbung“, die bei jedem Betroffenen unterschiedlich ist.
Im Gehirn spielt sich dabei Folgendes ab: Durch eine auslösende Ursache im Hörssystem (siehe Tabelle) entsteht ein bioelektrisches Signal, das – ebenso wie ein durch einen äußeren Schallreiz entstandenes Signal – durch alle Instanzen der Hörbahn bis zur Hörrinde des Schläfenlappens durchgeschaltet wird (siehe Abbildung).
Wird dieses Signal dann von der zentralen Bewertungssinstanz unseres Gehirns, dem limbischen System, mit „negativen“ Emotionen wie Angst, Aggression oder Traurigkeit belegt, ist der Weg zur wiederkehrenden Aufmerksamkeitsfokussierung auf dieses Signal gebahnt. Die negative emotionale „Färbung“ dieser Hörwahrnehmung sorgt dafür, dass Hörfilter über die aufmerksamkeitssteuernde Instanz des Mittelhirns (Formatio reticularis) weiterhin für diese Signale offen bleiben – auch für sonst unterschwellige Nervenimpulse der Hörbahn, die normaler Weise nicht bewusst werden. So kann dieser Signalverarbeitungsprozess im Verlauf auch zu einer vermehrten Geräuschempfindlichkeit (Hyperakusis) führen.
Wie ein Muskel, der trainiert wird und nachfolgend Umfang und Dichte ändert, kommt es zu einer tinnitus-relevanten Umorganisation von Nervenzellverbänden im Gehirn, die sich heute mit sehr aufwändigen Untersuchungsmethoden (PET, MEG u.a.) nachweisen lässt. Die genannten Vorgänge ereignen sich auch bei jedem anders gearteten komplexen Lernvorgang, sind vom Ablauf her also nicht tinnitusspezifisch.
Mit zunehmender Aufmerksamkeitsfokussierung auf den Tinnitus werden gesundheitsfördernde Wahrnehmungsinhalte und persönlche Ressourcen immer mehr ausgeblendet, was das Leiden an Tinnitus erheblich verstärkt.
Ausblick
Glücklicherweise ist das menschliche Gehirn sehr flexibel und bis ins hohe Alter lernfähig, so dass sich die störende Art der Hörverarbeitung auch bei chronischem Tinnitus mit Hilfe spezieller Lernprogramme während der Tinnitus-Therapie verändern lässt.